• 01. September 2021
  • Tradition & Innovation
  • Ulf Schulz

Range Rover, oder: Lang lebe der König

Die Experten der zentralen Klassikabteilung der GTÜ in Stuttgart und vor Ort besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Dabei greifen sie auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. Weil es viele spannende Aspekte zur Historie der verschiedenen Old- und Youngtimer gibt, veröffentlicht das Magazin KRAFTHAND in loser Folge exklusive Einblicke in das Archiv der Sachverständigenorganisation. Diesmal: der Range Rover.

Der Range Rover ist ein echter Typ, über alle Generationen hinweg

Als Defender-Fahrer lernt man recht schnell, dass es nur zwei Meinungen zum Ur-Land-Rover gibt: Entweder man liebt ihn oder man hasst ihn. Dazwischen gibt es praktisch nichts – meinen jedenfalls diejenigen, die einen „Landy“ schon mal länger als bis zum nächsten Supermarkt bewegt haben. Spartanisch ist er, wenig komfortabel gerade auf längeren Strecken.

Ein nur vierköpfiges Team um Roger Crathorne alias Mr. Land Rover begann Mitte der 1960er-Jahre mit der eher schlichten Konstruktion eines neuen Modells der britischen Traditionsmarke. Ohne Einfluss eines großen Designers setzte die Karosserie auf große Fensterflächen, gerade Linien und eine zweigeteilte Heckklappe. Letztere war ein adaptiertes Stilmittel, welches man sich mit Blick auf den Absatzmarkt jenseits des Atlantiks vom Jeep Wagoneer oder Ford Bronco abgeguckt hatte. Für all das bekam der Range Rover später die Auszeichnung „mustergültiges Industriedesign“.

Der Urvater der modernen SUVs

Nach nur drei Jahren Entwicklungszeit rollte am 17. Juni 1970 der Urvater der heutigen SUVs vom Band und veränderte die motorisierte Welt nachhaltig: Der Range Rover war geboren. Um einen Leiterrahmen herum gab man in die Zutatenliste ein paar Starrachsen mit Schraubenfedern sowie einen permanenten Allradantrieb, der das Drehmoment paritätisch auf Vorder- und Hinterachse verteilte. Diese wiederum konnten durch ein sperrbares Mittendifferenzial starr miteinander verbunden werden. Befeuert wurde die Fuhre schließlich mit einem 3,5-Liter-Leichtmetall-V8 von Buick, der 135 Pferdestärken und ein sattes Drehmoment von 253 Newtonmeter entfesselte.

Die ersten zehn Jahre fuhr der englische Herrenbeschleuniger lediglich als Dreitürer vor, obgleich die erlauchte Kundschaft auch nach einem Fünftürer verlangte. Zu diesem Zeitpunkt aber bereits unter der Flagge von British Leyland fahrend, waren dafür schlichtweg keine finanziellen Mittel vorhanden. Kurzerhand wurde der Schweizer Peter Monteverdi mit dem Zusatzprojekt beauftragt. So entstanden zwischen 1980 und 1982 insgesamt 167 Range Rover Monteverdi. Es ging sogar das Gerücht, dass selbst im Buckingham-Palast solch ein emigrierter Engländer zum Einsatz kam. Im August 1981 wurde der Mehrtürer dann doch offiziell unter die Rover-Fittiche genommen.

Bequemlichkeit für echte Abenteurer

Auch ein Automatikgetriebe fand nun den Weg auf die Orderliste und verhalf dem Wagen zu mehr Komfort. Schaut man heute in den Innenraum der ersten Baujahre, mag man das Luxusimage suchen, mit dem sich der Range über die Jahre aufgeladen hat. Doch für damalige Verhältnisse und erst recht im Vergleich zur Land-Rover-Serie bot der Range pure Bequemlichkeit für einen Geländewagen. Dabei blieb er immer ehrlich und echt. Der Begriff Geländewagen war damals noch ein Versprechen und nicht nur Synonym für eine Fahrzeugklasse, die unter der Bezeichnung Sport Utility Vehicle höhergelegte und mit breiten Plastikabdeckungen verzierte Abenteuer suggeriert.

Wer sagt denn, dass ein Kastenwagen nicht schön sein kann?

Mit der hohen Bodenfreiheit und dem permanenten Allradantrieb, der für eine hervorragende Traktion abseits der Straße sorgte, konnte sich der Range selbstbewusst auf echte Abenteuer einlassen. So gewann er 1979 mit Alain Génestier und Joseph Terbiaut die Autowertung der ersten Paris-Dakar-Rallye und zeigte mit Schirm, Charme und Stil, zu welch sportlichen Leistungen der feine Brite aus Solihull fähig war.

Nach diversen Detailverbesserungen folgte 1988 motorseitig die Vergrößerung von 3.500 Kubikzentimeter auf 3,9 Liter. Im September 1992 kam mit dem LSE der um 20 Zentimeter längere und auf 4,2 Liter erstarkte, luftgefederte Range Rover auf den Markt. Nach diversen Sondermodellen wie dem berühmten Vogue ging die erste Generation des Range Rover im Februar 1996 in den Ruhestand – nach 326.070 produzierten Einheiten.

Dieser Beitrag ist erstmals im Magazin Krafthand vom 18. Oktober 2020 erschienen, den ausführlichen Artikel können Sie hier nachlesen.