Italieneischer Keil erobert die USA

Aus dem Archiv von GTÜ Classic: der Fiat X1/9

Garantierter Freiluftspaß: der Oldtimer gilt als eins der Erfolgsmodelle der Turiner Automobildynastie. Bild: Adobe-stock.com / OceanProd

Besonders schnell war er nicht, aber in den Kurven sehr agil. Seine Form strotzte vor Extravaganz und bot jede Menge Frischluftvergnügen. Der Fiat X1/9 erfüllte seine Rolle als ein kleiner Sportwagen souverän. Bei diesem Spitzenteam konnte auch eigentlich gar nichts schiefgehen. Das Zusammenspiel von Bertone und Fiat war für die Italiener so erfolgsversprechend wie das ihrer Fußballhelden Gianni Rivera und Sandro Mazzola. Schon mit dem Fiat 850 Spyder hatte das Duo aus dem Karosserie-Spezialisten Bertone und der Autofabrik von Fiat die Herzen der US-Amerikaner erobert. Doch als Ende der 60er Jahre aus Übersee knallharte Sicherheitsbedingungen für Cabrios drohten, war die Zeit des 850 vorbei. Bertone-Chefdesigner Marcello Gandini aber hatte vorausgedacht.

Plötzlich steht da eine Flunder

1969 präsentierte Bertone auf dem Turiner Autosalon mit dem „Concept Car Autobianchi Runabout“ eine keilförmige flache Flunder mit Klappscheinwerfern, feststehendem Überrollbügel in Targa-Manier und der Aussicht auf ein aufregendes Frischluftvergnügen. Wie von Bertone erwartet, griff Fiat zu und formte das futuristische Outfit leicht zur Serienreife um. Bertone hatte von Anfang an die Fiat 128-Baureihe als technische Basis im Auge. Allerdings musste die Frontantriebs-Einheit zum Heckantrieb umgewandelt werden und der Motor rutschte in die Mitte. Fertig war X1/9. Im Oktober 1972 begann die Produktion.

Spaßmobil mit eigenem Willen

Ein Auto zum Verlieben, ein Spaßmobil mit Eigenheiten. Das fing bei den Maßen an. Mit nicht mal vier Metern Länge und einer Höhe von unter 1,20 Meter wurde er gern als „Baby-Ferrari“ bezeichnet. Sein Targa-Bügel bestand aus mindestens vier Lagen Stahlblech, die jedem drohenden Überschlag standhielten. Wie es sich für ein Mittelmotor-Modell gehört, hatte der X1/9 zwei Stauräume, einen vorn, wo auch das Kunststoffdach untergebracht werden musste, und hinten. Tank und Reserverad teilen sich mit dem Aggregat den Motorraum. Den Antriebsstrang erreichte man nur über eine etwas zu kleine Reparaturklappe. Um ans Reserverad zu kommen, musste der Beifahrersitz umgeklappt werden. Richtig praktisch war das nicht.

Mehr als 86 PS waren nicht drin

Aber das sind vernachlässigbare Unbequemlichkeiten, setzt man sie in Relation zum Fahrspaß. Besonders in den Kurven zeigte der X1/9 seine Leistungsfähigkeit, schließlich sorgten Heckantrieb und Mittelmotor für eine nahezu optimale Gewichtsverteilung. Der Motor stammte vom Fiat 128, ein solider Vierzylinder-Reihenmotor mit oberliegender Nockenwelle und zwei Ventilen pro Zylinder. Er hatte 1,3 Liter Hubraum, die 75 PS (55 kW) mussten mit einem Vierganggetriebe manuell dirigiert werden. Wirklich üppig war das nicht, weshalb Fiat ab 1978 den 1,5-Liter Benziner mit 86 PS (63 kW) und Fünfgang-Schaltgetriebe nachlegte. Der Grundpreis in Deutschland betrug damals 11.285 Mark.

Zum Schluss übernimmt Bertone alles

Etwa 70 Prozent der gesamten X1/9-Produktion landeten in den USA. Fiat musste also frühzeitig mit emissions- und leistungsschwächeren Motoren für den US-Markt arbeiten. Da jedoch der gesamte Fiat-Absatz in Übersee zurückging, zog sich das Unternehmen zurück und Bertone, bis dahin nur für die Fertigung der Karosserie zuständig, übernahm den X1/9 komplett. Von 1982 an hieß der Wagen Bertone X1/9. Zwei Jahre später kam für die USA der X1/9 mit geregeltem Drei-Wege-Kat auf den Markt, Fiat bot ihn als erster Hersteller in Europa an.

Heute ist er ein Schnäppchen

Erst 1988 und nach rund 166.000 Fahrzeugen stellte auch Bertone die Produktion des X1/9 ein. Verkauft wurde der Wagen in Deutschland aber bis 1990. Es handelte sich um rückgeführte Lagerbestände aus den USA. Wer heute in den Genuss des einst futuristischen und längst zum Oldtimer gereiften Sportwagen kommen will, muss gar nicht so tief in die Tasche greifen. Gut erhaltene Modelle sind zwischen 4000 und 6000 Euro zu haben.

Im zu seiner zeit futuristischen Design war der Fiat X1/9 als kleiner Sportwagen besonders erfolgreich in den USA. Bild: Adobe-stock.com / gpriccardi

Die feine Dame aus Bremen

Aus dem Archiv von GTÜ Classic: Borgward Isabella

Wie eine Dame aus besseren Kreisen – die zeitlose Eleganz der Borgward Isabella erreichte die Herzen der Deutschen. Bild: Adobe-stock.com / brudertack69

Sie war modern, erfolgreich, galt als zuverlässig und beeindruckte mit ihrer zeitlosen Eleganz. Die Borgward Isabella erfüllte alle Voraussetzungen für eine feine Dame aus besseren Kreisen. Die Insolvenz des Bremer Automobilherstellers konnte sie dennoch nicht verhindern. Das ist über 60 Jahre her. Die Fan-Gemeinde trauert bis heute. Späte Wiederbelebungsversuche der Marke Borgward in Stuttgart scheiterten leider auch.

Es braucht ein Auto mit Emotionen

Wir cruisen durch die erste Hälfte der 50er Jahre. Die neue deutsche Mittelschicht formiert sich im aufkommenden Wirtschaftswunder und freut sich am Autofahren. Da gibt Borgward Vollgas. Der Chef persönlich, Carl F. W. Borgward aus Bremen-Sebaldsbrück, legt Hand an und formt Modelle aus Plastilin im Maßstab 1:5. Ziemlich gewagte wohlgemerkt. Jedenfalls soll der neue Borgward weder optisch noch technisch viel mit den Vorgängermodellen zu tun haben. Die Hansa war zwar ein solides Mittelklasseauto, aber emotional eher unterbelichtet.

Wie ein Auto getauft wird

Nur: Wie soll der Neue heißen? Für solche Kleinigkeiten hat der Chef keinen Kopf. „Das ist mir egal“, lässt er seine Vertriebsexperten wissen, „schreibt meinetwegen Isabella drauf.“ Damit ist der Neue also eine Sie. Das passt auch besser. Schon bei der Vorstellung 1954 wird die Isabella dank ihres modernen Konzepts und des eleganten Äußeren begeistert aufgenommen. Die feine Dame hat einiges zu bieten. Die neue selbsttragende Karosserie hat viel von der Strenge der Vorgänger verloren – dank den Auswölbungen an den Radausschnitten etwa oder den betonten Türschwellern oder der schicken seitlichen Chromzierleiste.

Bild: Adobe-stock.com / allegra47

Das Öl wird zweimal gefiltert

Die inneren Werte sind ebenfalls beachtenswert. Die Vorderräder hängen an Doppelquerlenkern mit Schraubenfedern und Stabilisator. Hinten sorgen eine Pendelachse mit Schubstreben und Schraubenfedern für die nötige Standfestigkeit. Die Vorderachse sitzt auf einem Hilfsrahmen, ebenso wie der Motor: ein VierzylinderReihenaggregat mit dreifach gelagerter Kurbelwelle und parallel hängenden Ventilen. Die seitliche Nockenwelle wird über ein Stirnradgetriebe mit Zahnrad aus gewebeverstärktem Phenolharz angetrieben. Interessantes Detail: Das Öl wird neben dem Hauptölfilter zusätzlich im Nebenstromölfilter gefiltert. Ein starkes Mittel gegen Verschleiß, das Laufleistungen bis zu 100.000 km ermöglicht. Neu ist auch die hydraulische Kupplung. Mit der Lenkradschaltung dirigiert der Fahrer vier voll synchronisierte Gänge. Der 60 PS starke Motor bekommt schon 1955 einen 75 PS starken großen Bruder.

Auf Wunsch mit Heckflossen

Die Isabella gibt es zeitlebens nur mit zwei Türen. Das gilt für die Limousine und deren Cabriolet ebenso wie für den Kombi (mit Heckklappe).  1956 legt Borgward das wunderschöne Coupé nach. Das erfährt seine Krönung – nach schwierigen Umbauten des Kölner Experten Karl Deutsch – als Coupé-Cabriolet. Und wie es sich für eine feine Dame gehört, weiß die Isabella immer wieder mit ihren Accessoires Akzente zu setzen. Bandtachometer und Rundinstrumente wechseln im Lauf der Jahre. Auch der Rhombus auf dem Kühlergrill, Borgwards Markenzeichen, ist Veränderungen unterworfen, ab 1959 gibt es das Coupé auf Wunsch im US-Look sogar mit Heckflossen.

Bild: Adobe-stock.com / Maren

Die feine Dame altert nicht, sie reift

Mit einem Grundpreis von rund 7.300 Deutschen Mark ist die Isabella vom Start weg ein Verkaufsschlager. Doch schon 1961 endet der Spaß mit der Insolvenz der Bremer Autofabrik. Die Produktionsanlagen landen in Süd- und Nordamerika. In Argentinien und Mexiko werden noch einige Fahrzeuge gebaut. Bis Ende 1962 laufen insgesamt rund 202.862 Isabella vom Band. Dann verliert sich die Spur. Bis vor ein paar Jahren ein moderner Borgward auftaucht. Der SUV aus chinesischer Produktion soll den europäischen Markt erobern, was nicht gelingt. Die kleine, treue Fan-Gemeinde poliert lieber die Zierleisten der inzwischen reifen feinen Dame. Am modernen Nachfolger besteht kaum Interesse.  

Peugeot wird zum Millionär

Der 403 ist nicht bloß durch Inspektor Columbo populär geworden.

(Bild: Wolfgang – stock.adobe.com)

Die Experten der zentralen Klassikabteilung der GTÜ in Stuttgart und vor Ort besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Sie greifen auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. In loser Folge veröffentlicht das Magazin KRAFTHAND exklusive Einblicke ins Archiv der Sachverständigenorganisation. Diesmal geht es um den Peugeot 403.

Ein Zufallsfund in Hollywood

Er stinkt, er knattert, er sieht aus wie ein Clochard und seine Fehlzündungen klingen wie Pistolenschüsse. Die ach so feine Gesellschaft von Beverly Hills rümpft erst die Nase, bevor sie der pure Schrecken packt. Vorsicht! Columbo kommt! In dem alten Hobel aus Übersee. Das vernachlässigte Peugeot 403 Cabriolet von Inspector „Ach, eine Frage noch“ ist berühmt und gefürchtet. So wie Columbos zerknitterter Trenchcoat und seine nervige Verhörtechnik, die jeden Mörder zur Strecke bringt. Das ideale Fahrzeug für einen kauzigen Ermittler. Schauspieler Peter Falk hat sich seinen Dienstwagen selbst ausgesucht. Er fand ihn vor dem Start der TV-Serie 1970 irgendwo in den Universal Studios, wo er vergessen dahinrostete. Ein einst mit dem Auto geplantes Spielfilmprojekt war nie umgesetzt worden. Ein unwürdiges Zwischenlager für den ehemaligen Bestseller.

Wassergekühlt in Serie

Die Franzosen aus Sochaux hatten genau den richtigen Riecher, als sie auf dem Pariser Automobilsalon 1955 ihren neuen Peugeot 403 präsentierten. Die moderne Pontonform der Karosserie, geformt und veredelt von den italienischen Designern von Pininfarina, sorgte gleich für reichlich Sympathie, den Rest erledigte das Innenleben. „Eine Laufleistung zwischen 300.000 und 400.000 Kilometer“, hatte das Unternehmen versprochen, weshalb die Motoren nicht spektakulär, aber sehr solide ausfielen. Vierzylinder gaben Takt und Ton an. Der 1,3 Liter Verbrenner leistete 48 PS, der 1,5 Liter Motor immerhin 58 PS. Ab 1969 gehörte auch ein 1,8 Liter Dieselmotor mit 48 PS zum Programm – das erste Dieselfahrzeug, das neben den Mercedes 180 D und 190 D in großer Stückzahl produziert wurde. Technisch wartete er zudem mit einer interessanten Neuheit auf. Der Peugeot 403 war das erste wassergekühlte Serienfahrzeug, seine Lüfter wurden temperaturabhängig reguliert. Bei anderen Fahrzeugen im Dauerbetrieb schalteten sich die Lüfter im 403 erst bei 82 Grad Celsius ein und bei 67 Grad wieder aus.

(Bild: Dmytro Surkov – stock.adobe.com)

Die Vielfalt lockt die Massen

Wer einen 403 wollte, hatte die Qual der Wahl. Es gab ihn als Stufenhecklimousine mit vier Türen, als Cabriolet, als fünftürigen Kombi Break, als achtsitzigen Familiale, als Kastenwagen und als Pick-Up (zwei Türen). Die Modellpolitik zahlte sich aus. Zwischen April 1955 und August 1967 wurden weltweit 1,2 Millionen 403 verkauft. Peugeot gehörte plötzlich zum erlauchten Kreis der Hersteller-Millionäre. Dabei hatte der attraktive Preis großen Anteil am Verkaufserfolg. Der Viertürer war in Deutschland mit dem großen Motor bereits ab 7.430 Deutsche Mark zu haben.

Ein kleines, schickes Cabrio gibt es auch

Auch die US-Amerikaner liebten den kleinen, schicken Franzosen. Sie hatten besonders ein Auge auf das Cabriolet geworfen. Davon wurden zwischen 1956 und 1961 allerdings nur 2050 Exemplare gebaut, was bisweilen zu reichlich Lieferschwierigkeiten führte. Neben dem attraktiven Preis (12.790 D-Mark) hatte das Cabriolet zudem ungewohnten Komfort zu bieten. So war der Einstieg der Passagiere in den Fonds des Wagens keine halsbrecherische Turnübung, sondern kinderleicht. Die Lehnen der Vordersitze schwenkten nicht nur weit nach vorn, sondern auch zur Seite. Außerdem gab es optional eine elektromagnetische Kupplung von Jaeger. Dank seiner Feinheiten und seiner Zuverlässigkeit schaffte es der 403 seinerzeit in den USA unter die sieben „best made cars“.

Steven Spielberg mischt auch mit

Der Rest ist (TV-)Geschichte. Erstmals tauchte das ramponierte 403 Cabriolet – zinnfarben, Ausstattung Grand Luxe – 1971 in der Columbo-Folge „Tödliche Trennung“ auf. Regie führte ein weitgehend unbekannter Mann namens Steven Spielberg. Er machte Weltkarriere, das Peugeot Cabriolet insgesamt 42 Folgen. Heute ist es im Privatbesitz einer alten Sammlerfamilie aus Florida. Es steht zum Verkauf. Über seinen Zustand ist nichts bekannt.