Die erste Liebe rostet nicht

GTÜ Classic erinnert an den Simca 1000.

Nicht auf den ersten Blick zu erkennen, aber ein Auto der puren Leidenschaft (Fotos: Schloz)

Die Experten der zentralen Klassikabteilung der GTÜ in Stuttgart und vor Ort besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Sie greifen auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. In loser Folge veröffentlicht das Magazin KRAFTHAND exklusive Einblicke ins Archiv der Sachverständigenorganisation. Diesmal geht es um den Simca 1000.

Vergiss‘ nie das erste eigene Auto

Das erste Tor. Das erste Mal. Das erste Auto. Meilensteine auf der holprigen Straße Richtung Mann. Im Lauf der Jahre geht die Erinnerung an vieles ja verloren. Die an das erste Auto aber nicht. Mein Simca 1000! Ein starkes Zeichen der Reifeprüfung, die ich noch gar nicht hatte. Ein Ableger meiner Cousine, den sie mir Ende der 70er Jahre für hart ersparte 3.000 Deutsche Mark überließ, ein Garagenwagen, seit Jahren unterfordert und praktisch neu. Er hatte schon den 60 PS-Motor, der auch den Rallye 1 bewegte, versteckte sich aber in der Hülle des viertürigen Familien-Kleinwagens. Farbe: Bronzegold. Innen: Helle Sitze, viel Braun, ein Lenkrad so groß wie Mamas Kuchenblech. Ihm fehlten auch die renntauglichen Rundinstrumente der Rallye-Versionen. Der Tacho zog sich in die Breite und erinnerte in Form und Optik eher an ein Lineal fürs Matheabitur.

Die Leidenschaft der Tachonadel

Aber was die Nadel anzeigte, machte Spaß. Schließlich war der Simca nicht nur ein Auto, sondern ein richtiges Auto: Motor hinten, Antrieb hinten. Der Porsche des kleinen Mannes. Was man mit ihm im besten Fall anstellen konnte, zeigte mir mein großer Bruder. Er fuhr den Rallye 2, giftgrün, mit den schwarzen Streifen quer über dem Heck, der schwarzen Fronthaube, dem sportlichen Interieur inklusive Schalensitze und satten 86 PS. Am liebsten lehrte er den Piloten im wesentlich stärkeren Golf GTI das Fürchten.

Seitenblick garantiert: Mit dem Simca am Start

Die erste Liebe rostet nie. Oder doch?

Eine wilde Kiste, aber eine kleine Schar echter Fans liebt die kleine Limousine mit dem sportlichen Antriebskonzept immer noch. Das einzig Negative, was dem Simca nachgesagt wurde, war, dass man ihm beim Rosten zusehen konnte. Doch ich hatte Dusel. Bei der Hauptuntersuchung wunderten sich die Prüfer, dass sie nichts fanden. Sie meinten, das könne an der komischen Lackierung liegen. Ich glaube fest: Die erste Liebe rostet nicht.

Ein Auto mit einem sehr eigenen Willen

Die Franzosen hatten das gut gemacht. Auf dem Pariser Automobilsalon 1961 wurde der Simca 1000 erstmals vorgestellt. Die eigenwillige Karosserie hatte Mario Revelli di Beaumont entworfen und damit auch Platz geschaffen für die neue Idee der Marke, es mal mit der vollen Kraft aus dem Heck zu versuchen. Für den Simca 1000 entwarfen sie einen modernen Motor mit fünffach gelagerter Kurbelwelle und einem Querstromzylinderkopf mit seitlicher Nockenwelle.

Es geht immer noch ein bisschen stärker

In der Ur-Version leistete das Ein-Liter-Aggregat 32 PS (24 kW). Das manuelle Vierganggetriebe war von Beginn an voll synchronisiert. Im Lauf der Jahre wurde der Motor leicht vergrößert und die Leistung erhöht. Bei der Premiere des Rallye 1 im Jahr 1970 kam der 1,2-Liter-Motor auf 60 PS. Der erste Rallye 2 von 1972 leistete mit Solex-Doppelvergaser schon 82 PS, das Modell von 1976 – mit Abrisskante am Heck und eckigen Scheinwerfern ausgestattet – 86 PS. Der Rallye 3 in Ibizaweiß von 1978 wirkte mit seinen aufgenieteten Kotflügelverbreiterungen und den breiteren Reifen extrem bullig. Dank zweier Weber-Doppelvergaser kam er auf satte 103 PS. In Deutschland wurde ihm die Allgemeine Betriebserlaubnis verweigert, es wurden nur 1.000 Stück produziert.

Eine Reise durch die Bronzezeit

Mir reichte mein bronzenes Goldstück. Nach dem Abitur nahmen mein Freund und ich die hintere Sitzbank heraus und füllten den Raum mit Dosenwurst, Ravioli, Gaskocher, einem Zweimannzelt und machten uns auf eine Reise, deren Ende nicht von der Zeit, sondern von unserem Etat abhängen sollte. Fahren, so lang die Kohle und das Kontaktspray für den Verteiler reichen. Irgendwo auf der M1 bei London riss das Kupplungsseil. Wir durften in der Werkstatt übernachten. Damals wurde mein Englisch um den Begriff „Clutchcable“ bereichert. Ich habe das Wort nie mehr gebraucht, aber auch nie wieder vergessen. 

Ein Auto mit Ecken und Kanten – und trotzdem eine runde Sache

Wer erinnert sich noch an die Marke?

Und heute? Es gibt noch etliche Simca-Clubs. Auch mein Bruder, die treue Seele, pflegt noch immer einen Rallye 2 und einen echten Rallye 3. Aber wenn man ehrlich ist: Kein Mensch erinnert sich mehr an Simca. Die meisten wissen gar nicht, was das ist. Die Produktion der 1000er Reihe wurde im April 1978 nach 1.650.000 Einheiten gestoppt. Die Firma selbst ging irgendwo zwischen PSA und Chrysler Europe unter. Einfach ausgelöscht.

Ein Brite verdrängt den Franzosen

Ich weiß auch leider nicht, was aus meiner ersten Liebe geworden ist. Man neigt ja dazu, sie zu enttäuschen – um ein Leben lang ein eigenartiges, schlechtes Gewissen mit sich herumzutragen. Die Versuchung aus dem Paradies rollte damals ganz flach, offen, elegant und mit viel Holz auf mich zu. Sonderlackierung schwarz: ein Spitfire. Ausgerechnet mein Vater, der noch Jahre zuvor mit einem Frogeye Rallyes gefahren war, schrie: „Ein Engländer, bist du verrückt?“ Ich war verrückt. Ich war jung. Und bitte um Nachsicht. 

Schneewittchen und der Heilige

GTÜ Classic erinnert an den Volvo P1800.

(Fotos: Volvo)

Die Experten der zentralen Klassikabteilung der GTÜ in Stuttgart und vor Ort besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Sie greifen auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. In loser Folge veröffentlicht das Magazin KRAFTHAND exklusive Einblicke ins Archiv der Sachverständigenorganisation. Diesmal geht es um den Volvo P 1800.

Roger Moore verliebt sich in seinen Filmpartner

Alle Schweden sind blond. Und robust und zuverlässig. Aber auch zeitlos elegant? Es erwies sich jedenfalls als cleverer Schachzug, dem Gentleman und Abenteurer Simon Templar einen polarweißen Partner aus dem hohen Norden an die Seite zu stellen. „The Saint“, der Heilige, lautete in den 60er Jahren der Originaltitel der britischen TV-Krimiserie, in der Templar alias Roger Moore für Gerechtigkeit sorgte. Auf seinen blonden, schwedischen Partner war dabei immer Verlass: den Volvo P1800. Und während sich Moore in 118 Episoden, die in mehr als 70 Ländern über den Bildschirm flimmerten, für seine Paraderolle als 007 warmspielte, reifte der Volvo zum Kult-Car. Selbst Moore war von seinem Reisegebleiter so begeistert, dass er ihn vom Set weg kaufte und trotzdem noch vor der Kamera einsetzte. Er war ja auch zum Verlieben. Selbst Hakan Samuelsson, bis 2022 Volvo-Präsident, hat heute noch einen.

Alles Roger, und den Rest macht der Volvo

Die Eleganz holt sich der Volvo in Italien

Alter Schwede, wie bist du in Top-Form! Pelle Peterson, der beim renommierten Carrozziero Pietro Frua in Italien seinen Sinn für Schönheit schärfte, hatte die Hülle bereits 1957 entworfen. Einer der optischen Höhepunkte waren die sportlich dezenten Heckflossen, gegen die US-amerikanische Straßenkreuzer wie Bulldozer aussahen. Aber mit diesem Körper ließ sich das Beste aus verschiedenen Ländern harmonisch zusammenfügen, was die Emotionen für ein Auto in den oberen Drehzahlbereich treibt: schwedische Zuverlässigkeit, italienische Eleganz und die aufregenden Fahreigenschaften eines britischen Roadsters. Der Erfolg war im Grunde programmiert, der Start allerdings eher holprig.

Vor den Skandinavienkrimis kam die Sportwagenliebe

Der Sportwagen braucht noch Feinschliff

Im Jahr 1961, als der P1800 bei Jensen Motors in West Bromwich vom Montageband lief, war das außergewöhnliche Coupé mit dem Aggregat des Volvo Amazon ausgestattet: ein Vier-Zylinder-Reihenmotor, Vergaser, 1,8 Liter. Seine 90 PS (66 kW) beförderten ihn in die Klasse der Sportwagen. Aber die Verarbeitung, besonders die der ersten 250 Fahrzeuge, war so lausig, dass die Volvos nicht gleich auf die Straße durften, sondern zur Auffrischung erst ins Werk nach Göteborg gebracht werden mussten. Die Sache mit den Nacharbeiten schauten sich die Schweden nicht lange an und holten die gesamte Montage 1963 nach Hause. Der Ruf musste wieder hergestellt werden, weshalb das scharfe Coupé künftig P1800 S hieß – „S“ für produziert in Schweden.

Selbst der Porsche muss sich strecken

Sechs PS packten die Hausherren gleich auch noch drauf, womit das sportliche Coupé den Sprint von null auf 100 in 12,1 Sekunden schaffte. Da musste sich selbst ein Porsche 356 gewaltig strecken. An diesem Auto stimmte ziemlich viel, weshalb ihm im Lauf der Jahre lediglich einige technische Feinheiten verordnet wurden, die sich äußert positiv auf die Leistung auswirkten. Bereits ab 1968 füllte die schnittige Frontpartie ein völlig neuer Zwei-Liter-Motor mit 105 PS (77 kW), schon ein Jahr später wurde das Aggregat mit einer Einspritzanlage veredelt. Der P1800 E kam auf 124 PS (91 kW).

Die Geburt des Schneewittchen-Sargs

Damit ist die Geschichte im Grunde erzählt, hätten die Schweden mit ihrem neu entdeckten Faible für ungewöhnliches Design nicht noch einmal nachgelegt. Im August 1971 feierte die Kombi-Version des Sportwagens als P 1800 ES ihre Premiere. Die Heckklappe mit der riesigen Glasscheibe hatte man zuvor noch nie gesehen. Die Auto-Ästheten verneigten sich tief und gaben dem Kombi den bis heute gültigen Spitznamen „Schneewittchensarg“. Das Fahrzeug war ja auch irgendwie märchenhaft. Auf seiner Schweizer Internet-Seite fragt der Hersteller heute noch: Ist er der schönste Volvo aller Zeiten? In den USA zumindest war der Schneewittchensarg auch ein Verkaufserfolg. Insgesamt wurden zwischen 1961 und 1973 rund 40.000 P1800 gebaut, dazu kamen in den letzten Jahren noch rund 8000 Kombi-Varianten.

Wenn Automärchen wahr werden: Der Schneewittchensarg

5,2 Millionen Kilometer auf dem Tacho

Wer die guten alten Zeiten wieder in Bewegung setzen möchte, wird durchaus fündig. Die Preise auf dem Classic-Markt für einen P1800 schwanken allerdings gewaltig und liegen je nach Zustand zwischen 10.000 Euro und weit über 60.000 Euro. Wer investieren möchte, muss sich auch von aufgerufenen Laufleistungen jenseits der 250.000 Kilometer nicht unbedingt abschrecken lassen. Der Lehrer Irv Gordon kaufte im Juli 1966 im US-Bundesstaat New York seinen neuen – roten – P1800 S, um täglich die rund 200 Kilometer zur Arbeit bequem zurücklegen zu können. Er verbrachte auch sonst viel Zeit hinterm Steuer. Als er im November 2018 starb, gab es seinen Volvo immer noch. Mit Originalmotor. Er hatte 5,2 Millionen Kilometer auf dem Tacho und seinen ersten Durchhalte-Weltrekord schon Jahre hinter sich. Schweden sind eben robust. Aber doch nicht immer blond.

Die Corvette des kleinen Mannes

Opel trumpft Ende der 60er Jahre mit einem Sportwagen auf.

Allein dieses Orange ist ein Traum: Opel GT in Hausfarben (Fotos: Opel)

Die Experten der zentralen Klassikabteilung der GTÜ in Stuttgart und vor Ort besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Sie greifen auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. In loser Folge veröffentlicht das Magazin KRAFTHAND exklusive Einblicke ins Archiv der Sachverständigenorganisation. Diesmal geht es um den Sportwagen Opel GT.

Guter Geschmack aus Rüsselsheim

Für einen Designer muss es das Größte sein: Alle Konventionen über Bord werfen, sich einen Dreck um die geltenden Regeln scheren. Einfach mal machen, was man will. Und der Vorstand hat keine Ahnung davon. Passiert so etwas bei Opel, kommt das einer Kulturrevolution im Hause Biedermeier gleich. Der Aufstand des guten Geschmacks geht vom hauseigenen Styling Studio aus, das Anfang der 60er Jahre eingerichtet wurde. Es war das erste Designcenter eines europäischen Automobilherstellers überhaupt.

Heimlich, schnell und weise

Erhard Schnell und seine Crew waren hochmotiviert und schnitzten mit Plastilin an einem Sportwagen für jedermann. Ohne offiziellen Auftrag. Als das Concept-Car „Experimental GT“ seine finalen Konturen erhalten hatte, wurde es höchste Zeit für eine umfassende Beichte. Zum Glück waren die Vorstandsherren hellauf begeistert. Und so staunten auf der IAA 1965 Experten und Autonarren über dieses Fahrzeug mit den ungewohnt scharfen Kurven. Aber alle waren sich einig: Das Auto baut Opel nie.

Damals hieß es noch Stil, nicht Style: Blick ins Designstudio

Was für ein Slogan: Nur fliegen ist schöner!

Falsch gedacht. 1968 lief der erste Opel GT vom Band, auch weil ihn die Aura der Kreativität, in der alles erlaubt und alles möglich ist, von der ersten Idee an nicht mehr verlassen hatte. Das betraf nicht nur den Sportwagen selbst, sondern auch seine Begleitumstände. Da war der Werbeslogan, der heute als geflügeltes Wort gilt: „Nur Fliegen ist schöner.“ Und da war der offizielle Werbespot, der so frech mit den Nachteilen des GT spielte, wie sich das heute kein Autobauer mehr mit einem seiner Modelle trauen würde: ein beleibter Herr mittleren Alters versucht vergeblich in die flache Flunder einzusteigen. Ur-komisch und noch heute ein Youtube-Klassiker.

Für den Fahrer ist es ein Liegewagen

In der Tat war der GT nur 1,22 Meter hoch, und obwohl die obere Türkante bis weit ins Dach hineinreichte, war das Einsteigen schwieriger als das Fahren in der halbliegenden Sitzposition. Aber wen sollte das abhalten? Es gibt viele Merkmale, die den GT zu einem begehrenswerten Fahrzeug machten: Die geschwungenen Kotflügel. Die versteckten Scheinwerfer, die nicht aufgeklappt, sondern per Hebel rausgedreht wurden. Die runde bullige Seitenansicht und die scharfe Abrisskante am Heck, die auch bei hohen Geschwindigkeiten für ausreichend Abtrieb sorgte. Die vier runden Heckleuchten. Das sportliche Interieur mit Drei-Speichen-Lenkrad und Rundinstrumenten. Dazu kamen die kurzen Schaltwege, die die Kraft des Viergang-Getriebes an die Hinterachse übertrugen. Ein echter Zwei-Sitzer ohne Kofferraum.

Die Kraft der zwei Motoren

Im Bochumer Opel-Werk warteten Getriebe, Achsen und Motor auf die aus Frankreich stammende Karosserie. Eigentlich waren es zwei Motoren. Den GT gab es mit dem 1,1-Liter Reihenmotor aus dem Opel Kadett B mit 60 PS. Ausserdem im Angebot ein aus Platzgründen leicht modifizierter 1,9 Liter-CIH-Motor aus dem Opel Rekord C, der 90 PS leistete. Die Basis-Version fand aber wenig Anklang und wurde bald eingestellt. Schließlich hieß der Opel-Sportler wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Stingray des Mutterkonzerns GM auch die „Corvette des kleinen Mannes“.

Ein Vorbild in Sachen Sicherheit

Die Basisversion kostete nur rund 10.000 Deutsche Mark. Das war wirklich nicht viel für einen Sportwagen, der nicht nur auf sein Äußeres achtete, sondern auch mit seinen inneren Werten glänzte. Mit vielen Maßnahmen – wie zum Beispiel Drei-Punkt-Sicherheitsgurten oder Überroll- und Seitenaufprallschutz – setzte der GT in Bezug auf die Sicherheit für seine Zeit Maßstäbe.

Auch das mit der Sicherheit sieht gut aus

Über 100.000 mal gebaut

Nur aus dem ursprünglich geplanten Cabrio wurde nichts. Der 1969 vorgestellte Aero GT blieb eine Studie. Dem Erfolg des Opel GT konnte das nicht schaden. In nur fünf Produktionsjahren wurden über 103.000 Opel GT gebaut, die Hälfte der Fahrzeuge landete in den USA. Dann wechselten die französischen Blechschneider den Besitzer und mussten fortan Renault beliefern. Und in den USA änderten sich die Sicherheitsvorschriften, die Anpassung wäre viel zu teuer gewesen. Der Opel GT wurde ein Opfer der Umstände.