Sattelfest mit dem Pferdeanhänger

Schon Anhängerfahren ist eine Herausforderung. Noch mehr, wenn Pferde transportiert werden.

Leo geht heute auf große Fahrt. Von einer Pferdestärke zu weit über hundert. Das ist natürlich kein Zaubertrick, sondern Alltag auf einem Reiterhof. Der Wallach weiß, dass ihm kein Ungemach droht, wenn er auf Reisen geht. Ein paar Schritte über die Rampe in den Pferdeanhänger, und schon geht es los. Dafür, dass Zugfahrzeug und Hänger verkehrssicher sind, sorgen die GTÜ und ihre Partner, in diesem Fall vom Ingenieurbüro Stoll + Kollegen in Sindelfingen. Die Sachverständigen wissen um die besondere Sorgfalt bei der Anhängersicherheit, Pferdebesitzerin Nicole ist für das rücksichtsvolle Chauffieren von Leo verantwortlich.

Mehr als bloß ein Anhängsel…

Die Vorsicht fährt mit

Auf Nummer Sicher gehen beim Pferdetransport, das ist auch für Kerstin Stephan oberste Maxime. Die Hobbyreiterin, im Hauptberuf Assistentin der GTÜ-Unternehmenskommunikation, hat viel Routine. Denn sie stammt aus einer pferdebegeisterten Familie, und so war klar: Schon mit 18 Jahren gehörte nicht nur der Pkw-, sondern auch der Anhängerführerschein zur Grundausstattung. „Das war dann zunächst schon ganz schön spannend, mit einem Pferdeanhänger durch die Gegend zu fahren“, sagt sie. „Die Vorsicht ist immer an Bord, denn Sicherheit geht über alles.“

Leo wird reisefertig gemacht

Pferde balancieren sich aus

Für sie selbst im Verkehr. Und für die lebende Ladung hinter dem Zugfahrzeug, die in ihrem Fall die holsteinische Stute Celenta ist. „Pferde balancieren sich im Hänger ständig aus. So, wie es Menschen in einer ähnlichen Situation tun würden. Geht es in eine Kurve, verlagern die Tiere ihr Gewicht. Ein Schritt nach rechts oder links – den merke ich sofort im Zugfahrzeug“, erzählt sie ihre Erfahrungen. „Man sollte möglichst ruhig fahren. Denn sonst werden Pferde gestresst und unruhig im Anhänger. Das ist gar nicht gut.“

Zugpferd wäre das falsche Wort

Verständnis für ein besonderes Gespann

So wird es plötzlich für den Laien nachvollziehbar, wenn ein Pkw mit Pferdeanhänger im Schlepp die Autobahnausfahrt mit vielleicht 60 km/h nimmt, wo ein Solo-Pkw noch mit 80 km/h durchpfeifen würde. „Dafür hat nicht jeder Verständnis“, sagt Kerstin Stephan. „Es passiert auf der Landstraße oder Autobahn immer wieder, dass andere Verkehrsteilnehmer sich noch schnell vor dem Gespann hineinquetschen. Dann muss man plötzlich stark bremsen. Was bei höheren Geschwindigkeiten nicht angenehm ist.“ In kleineren Dörfern hingegen würde man immer wieder erleben, dass andere Autofahrer freundlich stehenbleiben oder an die Seite fahren, um das Gespann passieren zu lassen.

Mitdenken für einfaches Ankuppeln

Auch beim Ankuppeln hat die Pferdeliebhaberin mittlerweile viel Routine. Klar, Rückfahrkamera & Co. helfen heute ungemein. Und Erfahrung: Es sei immer am besten, zu zweit zu sein und außerdem auf Asphalt oder verfestigtem Untergrund anzukuppeln, denn auf einer weichen Wiese sei es fast unmöglich, den Hänger auf den letzten Zentimetern mit Muskelkraft so zu platzieren, dass die Kupplung genau über dem Kugelkopf steht. Dann absenken, sauber einrasten lassen und Elektrostecker und Abreißseil verbinden – fertig.

Zusammenbringen, was zusammengehört

Aufpassen beim Abkuppeln

Und das Abkuppeln? „Es lohnt sich, den Untergrund genau anzuschauen. Steht der Anhänger leicht abschüssig? Dann auf jeden Fall Keile an die Räder legen“, schildert Kerstin Stephan. „Und kann der Hänger während der Standzeit in die feuchte Wiese sinken? Dann wird das Herausziehen spannend. Denn das ist Schwerstarbeit fürs Zugfahrzeug.“ Und ein Allradantrieb wird zur Notwendigkeit.

Elektronik gegen Rutschgefahr

Im Winter fährt sie nur selten mit dem Gespann. Turniere finden da ohnehin kaum statt. Aber es kann natürlich sein, dass ein Pferd zum Tierarzt muss. Tipps fürs Fahren in der kalten Jahreszeit? „Ganz einfach: supervorsichtig fahren oder gar nicht“, lacht sie. „Glatte Straßen sind einfach keine angenehme Umgebung, wenn man mit einem schweren Anhänger unterwegs ist. Das Risiko, ins Schlingern zu geraten, ist einfach groß. In diesem Fall kann natürlich ein Anhängerstabilisierungssystem eine erhebliche Hilfe sein.“ Eine Winterreifenpflicht für Anhänger gibt es übrigens in Deutschland nicht. Aber auch dort geben die Spezialpneus mehr Grip.

GTÜ-Prüfer auf der Suche nach möglichen Schwachstellen

Bloß kein Übergewicht

Apropos Gewicht: Ein ausgewachsenes Pferd wiegt rund 600 Kilogramm – und hat den Großteil davon oberhalb der Beine. Das verlagert den Schwerpunkt des Anhängers nach oben. Wiegt der vielleicht 1.000 Kilogramm und transportiert man zwei Tiere, beträgt bereits die Anhängelast 2.200 Kilogramm. Ein mittelgroßes SUV, weit verbreitet als Zugfahrzeug, wiegt ebenfalls schnell um die 2.200 Kilogramm. Macht in der Summe eindrucksvolle 4,4 Tonnen Gespanngewicht. Das muss der Führerschein erlauben.

Rollkommando: Bremsentest auch für den Anhänger

Alle zwei Jahre zur HU

Wie jeder Pkw erhält der Anhänger alle zwei Jahre eine frische Hauptuntersuchung – Routine für die vielen GTÜ-Partner im ganzen Land. Dazu wird er in die Prüfhalle gezogen und bleibt angekuppelt. Die äußere Zustandsprüfung folgt einer vorgegebenen Checkliste, die der Prüfer mittlerweile per Tablet-Computer bearbeitet. Für die Bremsenprüfung geht es auf den Prüfstand – mit einem Zweiachser zweimal. „Alles kein Problem“, lacht Kerstin Stephan, „unser Anhänger ist noch kein Jahr alt.“ Doch der vorherige muckte, und so musste die Neuanschaffung her. „Es ist wie beim Auto: Der jetzige ist natürlich etwas größer und komfortabler – sowohl für die Pferde wie in der Bedienung. Das war es uns im Sinne der Tiere einfach wert.“

Mit Pferden aufgewachsen: Kerstin Stephan

Die richtige Fahrerlaubnis

Wer einen alten Führerschein der Klasse 3 besitzt (bis 1. Januar 1999), hat Glück: Dann darf ein Anhänger bis 3.500 Kilogramm schwer sein. Das entspricht der heutigen Klasse BE, die zum Führerschein per Zusatzprüfung erworben werden muss, und das Gesamtgewicht von Pkw und Anhänger darf maximal 7.000 Kilogramm betragen (Kasse 3: sogar 12.000 Kilogramm). Allein mit der Klasse B darf der Anhänger 750 Kilogramm wiegen und das Gespann insgesamt nicht mehr als 3.500 Kilogramm. Falls jedoch Zugfahrzeug und Hänger zusammen nicht über 3.500 Kilogramm wiegen, dürfen dann auch mehr als 750 Kilogramm an den Haken genommen werden. Eine Alternative ist manchmal die Klasse B96, denn dann darf das Gespann bis 4.250 Kilogramm wiegen.