Der Donnervogel aus dem Hause Ford

Groß, schwer und vor allem bequem: das Konzept des Thunderbird.

Thunderbird Convertible, Baujahr 1956  – wie das klingt, wie der aussieht (Foto: Ford)

Die Experten der zentralen Klassikabteilung der GTÜ in Stuttgart und vor Ort besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Dabei greifen sie auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. Weil es viele spannende Aspekte zur Historie der verschiedenen Old- und Youngtimer gibt, veröffentlicht das Magazin KRAFTHAND in loser Folge exklusive Einblicke ins Archiv der Sachverständigenorganisation. Diesmal geht es um den Ford Thunderbird.

Ford will weg von der Gemütlichkeit 

Der Legende nach soll Ford Vize-Präsident Lewis D. Crusoe 1951 auf dem Pariser Automobilsalon angesichts der schmucken Flitzer europäischer Machart schlechte Laune bekommen haben. „Warum haben wir so etwas nicht?“, fragte der Manager seinen Chefstylisten George Walker. Der konnte kontern – er hatte wohl schon das Konzept für einen Wagen parat, der das gemütliche Ford-Image aufpolieren sollte. Die MG und Jaguar XK 120, die sich in den USA breit machten, nervten die US-Autobauer nämlich schon länger. Dazu waren die ersten Porsche im Herbst 1950 in New York aufgetaucht und der große Konkurrent GM arbeitete an einem Roadster, der Corvette heißen sollte.

Das Rad der Zeit: Lenken als raumgreifende Aufgabe

Ein Zweisitzer, satt und sicher 

Ein (Auto-)Rennen gegen die Zeit? Ford bewegte sich mit seinen neuen Ideen auf fremdem Terrain und ließ GM lieber den Vortritt. 1953 ging die Corvette als Erste ins Rennen – mit einigen Fehlern, einer Kunststoffkarosserie, die Probleme machte und einem relativ kleinen Sechszylindermotor. Zudem handelte es sich um einen puristischen Roadster mit Steckscheiben nach europäischem Geschmack. Ford ging ein Jahr später satt und sicher an den Start: Der Ford Thunderbird präsentierte sich als sehr schöner, bequemer Zweisitzer. Ein 4,8 Liter großes V8-Aggregat machte dem Namen Donnervogel alle Ehre, garantierte mit 144 kW reichlich Kraft und Schnelligkeit und wurde in der Basisversion von einem manuellen Dreiganggetriebe dirigiert. Ab Werk war der Thunderbird mit einem abnehmbaren Kunststoffhardtop ausgestattet, ein ordentliches Verdeck gab es zuerst nur gegen Aufpreis. 

Auch Marilyn Monroe liebt den T-Bird

Amerika entdeckte das andere Fahrgefühl und feierte seinen neuen Liebling. Zehn Tage nach Verkaufsstart lagen bereits 3500 Bestellungen vor. Zahlen, von denen die Konkurrenz nur träumen konnte. Aber weil die Kundschaft bei aller Liebe über schlechte Sicht und wenig Stauraum klagte, nahm Ford schon beim 56er-Modell leichte Modifizierungen vor. Der schicke Continental-Kit (gegen Aufpreis) verlagerte den Standort des Reserverads nach draußen an die hintere Stoßstange, zwei Bullaugen im Hardtop sorgten für besseren Durchblick, mit der zweiten Motorvariante – ein 5,1 Liter großes V8-Aggregat – knackte der Thunderbird die 200-PS-Grenze und war 190 km/h schnell. Alles Dinge, die den Kultstatus des T-Bird und seinen Erfolg befeuerten. Der Donnervogel zog eine Nation in seinen Bann. Selbst Marylin Monroe gönnte sich einen 56er T-Bird, der in den USA bis heute als eines der großen Symbole der Golden Fifties gilt.  

Schräger Vogel auf dem Weg ins Hotel California

Lieber Luxus als Kurvenlage 

Aber war er auch tatsächlich ein Sportwagen? Der Thunderbird war ein tolles Auto, aber eines, das lieber geradeaus donnerte. Kurven mochte es nicht so. Das Fahrwerk war verhältnismäßig weich, die Straße für den Fahrer nur schwer zu spüren. Und wer auch immer am Steuer saß, war nicht in einem Sitz fixiert, sondern rutschte auf einer durchgehenden Bank hin und her. Sehr amerikanisch – und wenig Sportwagen-like. Ford selbst nahm das böse Wort auch nie in den Mund. Schon während der Entwicklung hatte sich Crusoe entschieden, mehr auf das Luxussegment zu setzen. Bereits das 57er-Modell wurde über 15 Zentimeter länger (das Reserverad verschwand wieder im Kofferraum) und mit dem 58er-Modell brach Ford völlig mit der Ursprungsidee. In der Hoch-Zeit des Gigantismus wog der T-Bird stolze 2,5 Tonnen. Er verkaufte sich immer, hatte mit dem 55er-Modell aber nichts mehr zu tun. 

Am Ende frohlockt die Konkurrenz 

Der Ur-Bird lebte 2002 noch einmal auf – als Luxuscabrio im Retrodesign, das aber nicht für den europäischen Markt bestimmt war. Am 1. Juli 2005 rollte der letzte Retro-Bird vom Band. Seither ist der Donnervogel Geschichte. Und die ehemalige Konkurrenz? Die Corvette setzte sich durch. Sie ist heute ein besserer Sportwagen denn je. 

Dieser Beitrag ist erstmals im Magazin Krafthand vom 06. März 2022 erschienen, den ausführlichen Artikel lesen Sie hier.