Fahrgenuss in der Badewanne

GTÜ Classic erinnert an den Ford Taunus 17 M.

Aus der Zeit, als Autos noch echte Gesichter hatten: Ford Taunus 17 M (Foto: brudertack 69 – stock.adobe.com)

Die Experten der zentralen Klassikabteilung der GTÜ in Stuttgart und vor Ort besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Sie greifen auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. In loser Folge veröffentlicht das Magazin KRAFTHAND exklusive Einblicke ins Archiv der Sachverständigenorganisation. Diesmal geht es um den Ford Taunus 17 M.

Ford kommt enorm in Form

Der Thronfolger des automobilen Adelsgeschlechts, Henry Ford II, flog eigens aus den USA ein, um Schulter an Schulter mit Bundeskanzler Konrad Adenauer in der Bonner Beethovenhalle die Bescherung anzusehen. Am 10. Oktober 1960 präsentierte Ford seinen neuen Taunus 17 M und sorgte nicht nur bei den Ehrengästen für Aufregung. Designer Uwe Bahnsen wollte zum Start des neuen Jahrzehnts ein Zeichen setzen. Das Ende der Wirtschaftswunderjahre verlangte nach einer neuen Formensprache. Alles, was bis dato ein gutes und schönes Auto ausgezeichnet hatte, kam auf den Prüfstand – und wurde verworfen.

Keine Ecken, keine Kanten

Ohne Schnickschnack, ohne Chrome und Heckflossen kam dieses Fahrzeug aus. Es war einfach rundum – oval: Keine Ecken, keine Kanten, die Windschutzscheibe weit nach außen gewölbt, die Scheinwerfer ungewohnt mandelförmig, die Stoßfänger zwar sichtbar, aber auf wundersame Weise in die Karosserie integriert, und selbst die Tanköffnung versteckte sich geschickt hinter dem hinteren Nummernschild. So einen deutschen Mittelklassewagen hatte man noch nie gesehen.

Die Linie der Vernunft

Entsprechend fielen die Reaktionen aus. Erst der Schock, dann die Begeisterung – und im Bemühen um die Rückkehr zur Normalität hatte der 17 M schnell seinen Spitznamen weg: die Badewanne. So ein Markenzeichen aus dem Volksmund zeugt ja immer von Sympathie und Zuneigung. Aber Ford gefiel der Kosename zuerst gar nicht. Bahnsen hatte bei der Präsentation sehr ernsthaft für seine „Linie der Vernunft“ geworben. Tatsächlich war der 17 M mehr als ein optischer Wachrüttler. Einige Experten maßen der Reduzierung des Luftwiderstandes bei der Formgebung damals schon entscheidende Bedeutung bei. Und der 17 M war in dieser Hinsicht ein Musterbeispiel mit einem cw-Wert von 0,4. Hinzu kam ein konsequenter Leichtbau, der das Leergewicht der 4,50 Meter langen Limousine auf unglaubliche 920 Kilogramm drückte. Angenehme Nebenwirkungen: bessere Fahrleistungen bei niedrigerem Verbrauch.

Für ein paar D-Mark geht es noch schneller

So war der Taunus 17 M auch schon in der Basisversion flott unterwegs. Der 55 PS starke (40 kW) 1,5 Liter Vierzylinder-Reihenmotor schaffte immerhin eine Spitzengeschwindigkeit von 136  km/h. Für 75 Deutsche Mark mehr machten bereits 60 PS aus 1,7 Liter Hubraum mit der Badewanne Wellen. Die High-End-Version, der 17 M TS mit 1,8 Liter Motor, kam auf 75 PS (55 kW) und 154 km/h – für damalige Verhältnisse schon sehr sportlich. Bedient wurde die Leistung von einer Drei-Gang-Lenkradschaltung, 95 D-Mark Aufpreis erhöhten auf vier Gänge. Der Verbrauch schwankte je nach Motor zwischen neun und elf Litern Normalbenzin, das damals um die 60 Pfennig pro Liter kostete.

Zum Taunus gesellt sich der Turnier

Doch nicht nur was die Motorvarianten betraf, entpuppte sich der Taunus als sehr flexibel. Es gab ihn als Zwei- und Viertürer, der Karosseriebauer Deutsch fertigte sogar einige Cabriolets. Und schon 1961 präsentierte Ford den Turnier, die Kombiversion des 17 M, der mit den am Dach angebrachten Rückleuchten für einen weiteren optischen Aha-Effekt sorgte. Zudem konnte man die Heckklappe je nach Wunsch nach oben öffnen, zur Seite oder gar nach unten klappen.

Die Wanne ist voll

Ja, der 17 M hatte neben der futuristischen Optik jede Menge praktische Argumente auf seiner Seite. Und die brauchte er auch. Der Viertürer kostete 6.875 D-Mark, die Sondercabrios gar 11.000 D-Mark. Und das war nicht gerade günstig. Dem Siegeszug aber stand der Preis nicht im Wege. Schon im ersten Jahr fertigte Ford knapp 100.000 Fahrzeuge, im zweiten Jahr gar rund 140.000. Ein Riesenerfolg, die Wartezeiten für die Käufer waren daher ziemlich lang. Bis 1964 wurden fast 670.000 Fahrzeuge in allen Varianten gebaut. Dann war die Wanne voll und die Freude an den Rundungen ausgelaufen. Der Nachfolger erhielt wieder Ecken und Kanten.