Mit 280 Sachen durch den Keller

Das Beispiel von GTÜ-Partner Team Eifel Racing zeigt: Wo die Playstation aufhört, fängt Simracing gerade erst an.

Fotos: Stephan Zirwes

Nach dem Job ist vor dem Training. Wenn Lucas Nett (21) von der Arbeit kommt, geht’s runter in den Keller. Dort hat er sich alles zurechtgebaut, was ihn schneller macht als alle anderen. Rennsitz, Hightech-Lenkrad mit Force Feedback, Rechner, die nötige Software, zwei Bildschirme: Das Cockpit ist sein Zuhause. Eines, das volle Konzentration erfordert, wenn auf dem Bildschirm der Nürburgring, Monza oder Silverstone erscheint. Rennstrecken, die es gegen die Stoppuhr zu bewältigen gilt. Er muss sich dabei nicht allein auf sein fahrerisches Können verlassen. Auf Bildschirm zwei stehen ihm alle Daten von Rennwagen und Strecke zur Verfügung, die das Fahren noch besser machen können: Rundenzeiten, Telemetriedaten, Spritverbrauch oder der Zustand der Reifen bis hin zum Wetter. Schließlich ist sein Rechner mit der Rennstrecke irgendwo da draußen verbunden, weshalb die klimatischen Bedingungen auf dem Bildschirm so real sind wie viele andere Dinge hier im Keller auch. „Wenn ich hier auf dem Nürburgring fahre, und draußen am Nürburgring regnet es, dann regnet es auf meinem Bildschirm auch“, sagt Lucas Nett.

Auch auf dem Bildschirm regnet es

Ja, die Playstation ist ganz weit weg, die Realität dagegen ziemlich nah. So nah sogar, dass Rennsimulatoren bis in die Formel 1 hinein zu Test- und Trainingszwecken genutzt werden. Dabei sind sie nicht bei allen Piloten beliebt. Dieser intensive virtuelle Flirt mit dem wahren Rennfahrerleben kann einem ganz schön auf den Magen schlagen. Für Lucas Nett und seine Kollegen sind die Simulatoren allerdings Ausdruck purer Leidenschaft – sie leben für den Motorsport.

Rundumsicht bedeutet auch: rundum konzentriert bleiben

Sie kommen alle aus dem Kartsport. Ein schnelles Vergnügen in jungen Jahren, das meist ein jähes Ende nimmt. Denn, sagt Leon Dreiser: „Viele, die mit dem Kart anfangen, können sich später den Sprung in eine echte Rennserie einfach nicht leisten. Sie würden dem Motorsport verloren gehen. Deshalb fangen wir einige Talente mit Simracing auf.“ So entstand vor ein paar Jahren das Team Eifel Racing. Neben Lucas Nett und Leon Dreiser bilden Mikka Maximilian Buck, Luca Kalischan, Luis Velten, Tim Buck, Nicolas Schmitt, Philipp Romboy und Moritz Danhausen das bunte, schnelle Neuner-Team. Alles junge Draufgänger zwischen 14 und 22 Jahren, die die Liebe zum Motorsport verbindet.

Signalfarbe Grün: Team Eifel Racing ist startklar

Das GTÜ-Team gehört zu den professionellsten

Rund 1.000 Teams, schätzt Nett, gibt es derzeit in Deutschland. „Aber nur 50 bis 100 davon“, so Leon Dreiser, „sind ernsthaft professionell unterwegs.“ Team Eifel Racing gehört dazu, schon weil es mit der GTÜ einen zuverlässigen Sponsor gefunden hat. „Das ist ein echter Glücksfall für uns“, sagt Lucas Nett, „so konnten wir uns in diesem Jahr mächtig steigern.“ So eine Partnerschaft verlangt natürlich nach Präsenz. Eifel Racing findet sich auf Instagram und Facebook, das Team hat seinen eigenen Livestream, eine Internetseite und einen Onlineshop, der unter anderem Trikots mit Namen und Sponsor vertreibt.

Rückspiegel braucht es nicht, im 2. Gang geht’s nach vorn

Echte Profis eben, die in dieser Saison 56 Rennen in 14 Klassen gefahren sind. Ein Terminkalender, der die Freizeit ohne Tempolimit voll ausfüllt. Denn die Vorbereitungen pro Rennen dauern ungefähr drei Wochen. Das Fahrzeug muss stets optimal eingestellt werden: Spoilerwinkel, Telemetrie, Dämpfer, Reifen, dazwischen immer wieder Trainingsrunden, um weiter zu optimieren. Und das voraussichtliche Wetter am Renntag darf man auch nicht aus den Augen verlieren.

24 Stunden hinter dem Simulator-Lenkrad

Bereits seit zwei Monaten laufen die Vorbereitungen auf das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring, das vom 27. auf den 28. November ausgefahren wird: Teams einteilen, Taktik besprechen, Stints (Fahrerzyklen) festlegen, Fahrzeuge designen, trainieren, sich mental vorbereiten. Denn gerade bei diesem legendären Rennen holt die Simulation die grausame Realität ein. „Es ist wie beim richtigen 24-Stunden-Rennen“, sagt Lucas Nett, „die schlimmsten Stunden für die Fahrer kommen, wenn die Nacht geht und der Tag langsam erwacht.“

Und so wird weiter hart trainiert. Wenn Lucas Nett mit 280 Sachen durch seinen Keller rast, darf nicht viel schiefgehen. Bei einem Crash oder wenn er von der Strecke abkommt, ist der Wagen futsch. Gefahr für Leib und Leben besteht natürlich nicht, aber so ein Lenkrad mit Force Feedback kann bei einem Aufprall schon bis zu 110 Kilogramm an die Arme zurückgeben. Oder einfach durchdrehen. „Wenn du nicht rechtzeitig loslässt“, sagt Leon Dreiser, „wirst du zwar nicht verletzt. Aber angenehm ist es nicht.“

Simracing ist eben kein Spiel. Sondern echte Simulation.

Simracing: Fast alles ist wie echt