Wo sind nur all die Cabrios geblieben?

Was uns künftig alles fehlen wird auf dem Automobilmarkt.

Lassies letzte Chance: Auf dem Rahmen ist noch Platz für eine Handschaltung (Foto: Bernhard Kahrmann)

Lassie, unser Kolumnen-Dienstfahrrad, steht schon immer für die Freiheit in der Mobilität. Ist auch absolut in Ordnung so, selbst wenn die Redaktion manchmal ganz schön neidisch ist auf diese Weltanschauung aus dem Bananensattel. Ach, wenn sich dieses Gefühl doch auch auf den Markt für Vierräder übertragen lassen würde. Da werden immer mehr Kategorien für neue Automobile aufgemacht: Shooting Brakes, Crossovers oder City SUVs. Immer weniger aber werden lieb gewonnene Sparten wie die Cabriolets oder Kombis.

Wohl dem, der kein Dach überm Kopf hat 

Bis vor der Jahrtausend- und Klimawende galt die Sehnsucht nach mehr Offenheit noch etwas auf dem Automarkt, Cabrios in allen Größen stillten die Sehnsüchte der Fahrer. Schon das Öffnen und Schließen des Verdecks, ob von Hand oder automatisch, gilt als Akt der Befreiung: Wohl dem, der kein Dach über seinem Kopf hat. Doch außerhalb des Luxussegments sterben die Cabrios aus. Selbst Marken wie Peugeot, Volvo oder Opel, die viel Erfolg mit den nach oben offenen Varianten hatten, nehmen jetzt Abstand. Bei rapide gesunkener Nachfrage ist ihnen der Aufwand einfach zu groß. Bleibt den Frischluftfanatikern nur die Flucht in den Gebrauchtwagenhandel. Ein Positivbeispiel aber gibt es: Der Mazda Miata, hierzulande als MX-5 auf dem Markt, ist mit deutlich über einer Million verkaufter Exemplare der erfolgreichste Roadster weltweit. Aber auch die Japaner denken langsam um, sie leiten von ihrem offenen Exportschlager inzwischen ein Coupé ab. Offenbar gibt es mehr Dachdecker als man denkt.

Trendwende: Mazda hat seinem MX 5 richtig eins aufs Dach gegeben (Foto: Mazda Motors)

Vans und SUVs sind das Ende des guten Kombis 

Weiter geht die Suche nach aussterbenden Fahrzeugarten. Treffpunkt Ikea-Parkplatz. Dort lässt sich leicht feststellen, dass moderne City-Vans problemlos ganze Kitagruppen zum Köttbullaressen transportieren können. Aber wenn der deckenhohe Kleiderschrank mit nach Hause soll, dann reicht es oft doch nicht, wie schön wäre jetzt ein echt langer Kombi-Kofferraum? Mittlerweile häufig ersetzt durch die schicke Designvariante namens Shooting Brake. Das sind Coupés mit Steilheck, die sich mittels Heckklappe an Klassiker wie die Turnier-Varianten bei Ford, die Variants von VW oder die T-Modelle von Mercedes anbiedern. Die Frage muss jeder individuell beantworten: wie elegant oder wie praktisch soll es denn sein? Die meisten Autos von heute, auch wenn sie prinzipiell viel Raum besitzen, sind hinten oft fantasievoll verbaut. Adieu, Schneewittchensarg. Audi immerhin versucht sich am elektrischen Kombi, und BMW M, die Sportabteilung der Bayern, probiert es zum 50. Geburtstag mit einer Revolution: erstmals gibt es einen Dreier in der Touring-Version. Hoffentlich geht die Welt nicht bloß edel zu Grunde.

Mysterium Kombi: BMW wagt sich nochmal an einen beschleunigten Touring (Foto: BMW Group)

Am Ende kommt es knüppelhart 

Die Überschrift kam mit einem Wort aus, und das verhieß nichts Gutes: „Ausgeschaltet!“ Tatsächlich hat sich Mercedes vor ein paar Wochen entschieden, das Auto mit manuell geschaltetem Getriebe zum Auslaufmodell zu machen und die Produktion 2023 komplett auf Automatikgetriebe umzuschalten. Auch BMW dünnt sein Programm entsprechend aus, VW hat nur noch ein paar Golf-Varianten „mit“ auf dem Markt. Einzig Porsche lässt beim Elfer immer die Wahl, und erstaunlicherweise ist der größte Schalt-Kreis ausgerechnet im automatisierten Nordamerika zu finden. Für Lassie, den lässigen Redaktionsbegleiter, kommt es nicht ganz so knüppeldick: auf dem Rahmen ist schon ein Platz für den Einbau einer Schaltung vorgesehen. Sollte nicht Coolness generell unter Artenschutz gestellt werden?